Hauptsache weit
Ich wusste nicht, was ich mir dabei gedacht hatte ein Abenteuer erleben zu wollen, raus aus dem langweiligen Leben. Ich hatte mich gefragt, wie es wohl ist in anderen Ländern mit anderen Kulturen oder Speisen. Als ich dachte, es würde spannend werden, hatte ich mich geirrt. Nun war ich allein in der großen weiten Welt. Hatte ich wirklich geglaubt die anderen Menschen würden mich willkommen heißen?
Und nun saß ich da, in dem fremden Zimmer, in dem ich vorübergehend wohnte und das nicht einmal Fenster hatte. Das Brummen des Ventilators dröhnte in meinem Kopf. Schatten huschten über den kalten Betonboden, wie Geister. Zu Hause hatte man mich gefragt, ob ich denn gar keine Angst hätte. Meine Antwort war ein Nein gewesen, doch jetzt war ich mir da nicht mehr sicher. Ich lief hinaus auf die Straßen in die heiße Nacht. Über dem Asphalt flimmerte es. Ich quetschte mich durch all die Leute, die mit ihren Freunden redeten und lachten. Sie hatten Spaß. Bei diesem Anblick begann sich mein Magen zu verkrampfen. Ich musste mich zusammenreißen, um nicht zurück zu rennen und mich weinend aufs Bett zu werfen. Nun kannte ich das Gefühl einsam zu sein. Ich merkte es daran, dass ich mich mit niemandem unterhalten konnte, weil ich ihre Sprache nicht sprach, und daran, dass mich niemand beachtete und es sich wohl genauso anfühlen musste tot zu ein. Seit Monaten hatte ich niemanden Bekannten gesprochen, geschweige denn gesehen. Niemand konnte mich erreichen und mich fragen wie es mir geht, als ob es mich überhaupt nicht gab. Eine Träne kullerte mir über die Wange, während ich an die lange Zeit dachte, die noch vor mir lag und die ich alleine in fremden heißen Ländern verbringen würde. Ich hatte es mir damals anders vorgestellt. Ich vermisste meine Freunde, meine Familie, mein Zuhause. Schweiß lief mir den Rücken hinunter und das T-Shirt klebte an mir und schnitt mir in die Seiten. Während ich durch die Gassen schlenderte, sah ich etwas, was mein Herz schneller schlagen ließ. Ich war ganz aus dem Häuschen, als ich die Straßenseite wechselte und vor dem kleinen Haus stehen blieb. Da war ein Computer, ein Internet-Café. Ich setze mich an einen freien Platz und schaltete ihn ein. Ein Glücksgefühl breitete sich in mir aus, als ich begann meine Nachrichten zu lesen, kleine Texte meiner Freunde. Ich schrieb ihnen, dass es mir gut gehe und das alles großartig war. Und in diesem Moment meinte ich es auch so. Ich vergaß die fremde Welt um mich herum und für diesen Augenblick war ich wieder Zuhause, saß auf meinem Bett und redete mit meinen Freunden. Ich fühlte mich geborgen und frei und war nicht mehr allein oder einsam, sondern tauchte ein in den Bildschirm. Erst jetzt merkte ich, dass es zuhause doch am schönsten war. Ich hatte gehen müssen, um zu bemerken wie wichtig es für mich war, dass die Menschen, die mich liebten bei mir waren.
(basierend auf der Kurzgeschichte Hauptsache weit von Sybille Berg, 2001, von Leni)